Im vergangenen Jahr hat der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) 2.738 antisemitische Vorfälle in Deutschland erfasst. Das geht aus dem Jahresbericht des Verbandes hervor. Damit stieg die Zahl im Vergleich zu 2020, als die einzelnen Rias-Meldestellen bundesweit 1.957 Vorfälle registriert hatten. Laut Rias ist der Anstieg zum Teil auf eine veränderte Datengrundlage zurückzuführen. Die Expertinnen gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.

Das Gesamtbild prägten dem Bericht zufolge vor allem die Proteste gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Diese Proteste seien besonders für Anhänger des verschwörungsideologischen Spektrums "vielfach ein Anlass für antisemitische Äußerungen oder Handlungen" gewesen. Hinzu sei die Zuspitzung im Nahostkonflikt im Mai 2021 gekommen, die auch zu judenfeindlichen Beleidigungen oder Bedrohungen sowie Angriffen geführt habe.

Antisemitismus äußerte sich laut Bericht "häufig niedrigschwellig, mitunter aber auch extrem gewaltförmig". Demnach dokumentierten die Meldestellen sechs Fälle extremer Gewalt. Fast die Hälfte aller 13 seit 2017 bekannt gewordenen Fälle extremer Gewalt hätten sich 2021 ereignet. Abseits davon würden Juden in Deutschland "in ganz alltäglichen Situationen mit verletzenden antisemitischen Bemerkungen konfrontiert". Auch rund um Gedenktage sei erneut eine Vielzahl an Vorfällen registriert worden.

Rechtsextremismus, Verschwörungstheorien und Israel-Kritik als Hintergrund

Am häufigsten erfassten die Meldestellen mit 2.182 Vorfällen laut Bericht verletzendes Verhalten. Darüber hinaus gab es demnach 101 Bedrohungen, 204 gezielte Sachbeschädigungen, 182 Massenzuschriften und 63 Angriffe. Es gab 521 antisemitische Angriffe auf jüdische und israelische Institutionen. Es seien auch Nichtjuden und nichtjüdische Einrichtungen zum Ziel geworden.

Die häufigsten Tatorte waren dem Bericht zufolge erneut das Internet und die Straße. Was den politisch-weltanschaulichen Hintergrund der Vorfälle angeht, stiegen antiisraelischer Aktivismus auf neun Prozent und das verschwörungsideologische Milieu auf 16 Prozent. Gesunken sei der Anteil rechtsextremer und rechtspopulistischer Motivationen auf 17 Prozent. In vielen Fällen ist der Hintergrund laut Bericht jedoch unbekannt.

Drei neue Meldestellen für Antisemitismus

Der Jahresbericht beruht auf Meldungen der Betroffenen oder Zeugen beziehungsweise Organisationen an den Bundesverband von Rias oder Meldestellen, die es in einigen Bundesländern gibt. Der Bericht berücksichtigt erstmals Daten von drei neuen Meldestellen. "Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der Arbeit dieser Meldestellen mehr Vorfälle aus den jeweiligen Regionen bekannt wurden", heißt es. In den Bericht für 2020 seien Daten aus vier regionalen Meldestellen eingeflossen, jetzt seien es bereits acht gewesen.

Rias teilte mit, dass die Zahl der registrierten Vorfälle, die nicht immer Straftaten sind, statistisch nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung seien. "Ziel des vorliegenden Berichts ist es vielmehr, die alltägliche Dimension von Antisemitismus in Deutschland zu verdeutlichen." Im Mai hatte das Bundeskriminalamt einen starken Anstieg antisemitischer Straftaten für 2021 um 29 Prozent auf den Höchststand von 3.027 Delikten bekannt gegeben.