Wer mit Geschwistern aufgewachsen ist, kennt das: Trotz viel beschworener Geschwisterliebe zankt man sich, man ist genervt voneinander und meckert über Bruder oder Schwester – egal ob man die oder der Ältere oder Jüngere ist. Anscheinend kommen diese Gefühle nicht von ungefähr.
Das geht zumindest aus den Ergebnissen einer US-amerikanischen Studie der Ohio State University hervor, die gut 8.500 Achtklässler aus den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China über ihre mentale Gesundheit befragten. Dabei zeigte sich: Diejenigen, die aus größeren Familien stammten, hatten als Jugendliche im Schnitt häufiger mit psychischen Problemen zu tun.
Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im Fachmagazin „Journal of Family Issues“.
Doch jetzt zur Frage aller Fragen:
Mental Health: Teenagern mit zwei Geschwistern geht es besonders schlecht
In ihrer Studie befragten die Psychologen die Jugendlichen mit einem Durchschnittsalter von 14 Jahren. Am zufriedensten waren in China die Teenager, die gar keine Geschwister hatten. Eine Tatsache, die auch auf die von der chinesischen Regierung jahrelang verfolgte Ein-Kind-Politik zurückzuführen sein könnte. Aber auch in den USA waren die Teenager am zufriedensten, die entweder als Einzelkind aufgewachsen sind oder nur ein Geschwisterchen hatten.
Bei denjenigen mit zwei Geschwistern war der Einfluss auf das Seelenheil am größten. Das betrifft vor allem die jüngeren Brüder und Schwestern, sowie diejenigen, die einen geringen Altersabstand hatten. Bei diesen befragten Jugendlichen litt die mentale Gesundheit und ihr allgemeines Wohlbefinden am stärksten.
Daran liegt es, dass jüngere Geschwisterkinder oft das Nachsehen haben
Die beiden Studienleiter, Douglas B. Downey und Rui Cao, sehen in ihren Ergebnissen eine Bestätigung der sogenannten Ressourcenhypothese, wie sie in ihrer Studie schreiben. Demnach würden Geschwister um die Aufmerksamkeit der Eltern konkurrieren – und je mehr Kinder es gibt, desto weniger bekommt jeder. Im Gespräch mit der britischen Tageszeitung „The Guardian“ erklärt es Downey so: „Wenn man sich die elterlichen Ressourcen als einen Kuchen vorstellt, bekommt ein Einzelkind eben den ganzen Kuchen.“
Je mehr Geschwister es jedoch gebe, desto weniger bekommen sie vom Kuchen ab. Also auch weniger Aufmerksamkeit, Fürsorge und Förderung. Eben jener Effekt, der in der Natur der Sache liege, könne sich negativ auf die mentale Gesundheit im Alter auswirken. Allerdings weisen die Studienergebnisse auch auf andere Ursachen hin.
So stammten die Teenager mit der besten psychischen Verfassung aus Familien mit einem hohen sozioökonomischen Status. In den USA waren das überproportional häufig auch Familien mit eben nur einem oder zwei Kindern. In China kommt zusätzlich die Tatsache zu tragen, dass es ohnehin eine hohe Einzelkind-Quote gibt. Rund 33 Prozent der Befragten wuchs alleine auf. In den USA waren es nur 12,6. Erst seit dem Jahr 2016 müssen Eltern mit mehr als einem Kind in der Volksrepublik China mit keinerlei Nachteilen im Sozial- oder Arbeitsleben, beziehungsweise Geldstrafen rechnen.
Die gute Nachricht: Es gibt auch Vorteile für Geschwisterkinder
In ihrer Studie weisen die Forscher darauf hin, dass die sozioökonomischen Faktoren allerdings nicht alleine als Erklärungsansatz taugen. Schließlich weisen auch Geschwisterkinder aus finanziell besser gestellten Familien mit mehr als zwei Kindern eine im Vergleich zu Einzelkindern geringere Zufriedenheit auf. Doch wie bei allen Dingen auf dieser Welt gibt es auch hier zwei Seiten der Medaille.
In einer früheren Studie fanden die beiden Psychologen etwa heraus, dass diejenigen, die mit Brüdern oder Schwestern aufwachsen, sozial verträglicher sind und etwa im Kindergarten besser mit ihren Altersgenossen klarkommen. Zudem fanden sie Hinweise darauf, dass Geschwisterkinder sich seltener scheiden lassen als Einzelkinder. Womöglich, weil sie in ihrem Leben häufiger mit Konflikten sowie negativ assoziierten Beziehungen konfrontiert waren – und dadurch den Umgang damit gelernt haben.
Zudem konnten norwegische Forscher in einer repräsentativen Studie aus dem Jahr 2016 mit mehr als 100.000 Probanden nachweisen, dass Kinder aus großen Familien im späteren Leben über eine bessere mentale Gesundheit verfügen. Der negative Effekt könnte sich also auf die Jugend beschränken.
Dass die Beziehung zu dem eigenen Bruder oder der Schwester nicht zwingend eine Freundschaft fürs Leben ist, erfahren viele. Die Gründe dafür und wie man die Verbindung wieder stärken kann, erfährst du hier: