Digitale Transformation :
Wie Quantum Computing die Gesellschaft verändert

Von Florian Neukart
Lesezeit: 4 Min.
Blick in das Labor des IBM Q Network Quantencomputer im Institut der Fraunhofer Gesellschaft München.
In der Welt der Informationstechnologie steht uns möglicherweise die größte Revolution seit der Erfindung des Transistors bevor: Quantum Computing. Ein Gastbeitrag.

Doch was ist Quantum Computing genau, und warum könnte es unsere Gesellschaft und Wirtschaft in den kommenden Jahren grundlegend und nachhaltig verändern?

Quantum Computing nutzt die Prinzipien der Quantenmechanik zur Informationsverarbeitung. Das Herzstück eines Quantencomputers bilden Qubits (Quantenbits), die kleinsten Einheiten von Quanteninformation. Im Gegensatz zu klassischen Bits, die entweder den Wert 0 oder 1 annehmen, ermöglicht eine Quanteneigenschaft – die Superposition eines Qubits – die Darstellung beider Zustände simultan. Das bedeutet, dass ein Quantencomputer multiple Berechnungen parallel durchführen kann, wohingegen ein klassischer Computer diese sequenziell abarbeiten muss.

Quantencomputer würden das Berechenbare auf eine neue Stufe heben. (Das Bild zeigt den IBM „Q System One“)
Quantencomputer würden das Berechenbare auf eine neue Stufe heben. (Das Bild zeigt den IBM „Q System One“)dpa

Ein weiteres zentrales Element des Quantum Computings ist die Quantenverschränkung. Bei diesem Phänomen können zwei oder mehr Qubits in einer Weise miteinander verbunden werden, dass der Zustand eines Qubits unmittelbar den Zustand eines anderen beeinflusst, und das unabhängig von der räumlichen Distanz zwischen ihnen. Man könnte sagen „stärker-als-normale-Korrelation“. Diese Art der Verbindung erlaubt es Quantencomputern, komplexe Probleme, in welchen jede Kombination von Lösungen und Einflüssen zu einer Zeit dargestellt wird, zu lösen. Klassische Computer können das nicht bewältigen.

Durch diese Eigenschaften hat Quantum Computing das Potenzial, für Aufgaben wie komplexe Berechnungen etwa in der Optimierung, dem maschinellen Lernen, und der Simulation, beispielsweise in der Krebstherapie oder bei Logistik-Problemen, eine exponentielle Beschleunigung zu bewirken und Lösungen einer Qualität zu finden, die klassischen Computern verwehrt bleiben.

Die ersten Quantencomputer

Die Theorie hinter dem Quantum Computing ist die Quantenphysik. Diese nahm Anfang des frühen zwanzigsten Jahrhunderts ihren Lauf und wurde von Wissenschaftlern wie Max Planck, Albert Einstein und Niels Bohr vorangetrieben. Die tatsächliche Erstellung eines funktionierenden Quantencomputers entpuppte sich in den vergangenen Jahren aber als außerordentlich herausfordernd und ist bis heute nicht abgeschlossen. Denn: Qubits sind extrem empfindlich gegenüber ihrer Umgebung; alles von Temperaturschwankungen bis zu kosmischer Strahlung kann ihre Zustände stören. Die ersten wirklichen Fortschritte bei der Herstellung von Quantencomputern wurden Ende der Neunziger Jahre und Anfang der Zweitausender Jahre gemacht. Forscher begannen, Techniken zu entwickeln, um Qubits in „Superposition“ zu setzen und sie lange genug stabil zu halten, um Berechnungen durchzuführen.

Was heute schon möglich ist: Hybrides Quantum Computing

Das hybride Quantum Computing kombiniert die Stärken von Quantencomputern mit denen von klassischen Computern. Das enorme Leistungspotenzial von Quantencomputern gepaart mit der Robustheit und Vielseitigkeit klassischer Computer ergibt bisher unbekannte Rechenleistung, um die komplexesten Probleme schnell und zuverlässig zu lösen.

Ein hybrides System nutzt einen Quantencomputer, um bestimmte Teile eines Problems zu bearbeiten, die für klassische Systeme schwer oder zeitaufwendig wären, und verlässt sich auf den klassischen Computer für andere Teile des Workflows. Hybride Algorithmen brechen ein Problem in Teile auf, die auf einem Quantencomputer, und solche, die auf einem klassischen Computer gelöst werden können.

Zum Beispiel könnte ein Quantencomputer zur Durchführung einer komplexen Simulation verwendet werden, während ein klassischer Computer die Daten verarbeitet und analysiert, die aus dieser Simulation stammen. Ein spannender Bereich in der Entwicklung hybrider Algorithmen ist die Nutzung von simulierten Quantenchips. Diese simulierten QPUs (Quantum Processing Units) laufen auf klassischen Supercomputern und ahmen die Funktionsweise eines echten Quantencomputers nach. Während sie nicht die echte Quantenparallelität eines echten Quantenchips bieten, haben sie dennoch signifikante Vorteile. Erstens sind sie fehlerfrei, und nicht anfällig für die Störungen, die echte QPUs betreffen. Damit entfällt die Notwendigkeit komplexer Fehlerkorrekturtechniken, wie sie in physischen Quantencomputern erforderlich sind.

Ein weiterer entscheidender Vorteil von simulierten QPUs ist ihre volle Qubit-Konnektivität. In physischen Quantencomputern kann nicht jedes Qubit direkt mit jedem anderen interagieren, zumindest nicht mit den meisten Fällen. Stattdessen gibt es spezifische Muster von Konnektivitäten, die durch die physische Anordnung und Technologie des Chips bestimmt werden. Simulierte QPUs hingegen können so programmiert werden, dass jedes Qubit mit jedem anderen interagiert, was für bestimmte Algorithmen und Simulationen äußerst nützlich sein kann.

Mit hybriden Algorithmen, die simulierten QPUs nutzen, können Unternehmen und Forscher bereits heute einen echten Mehrwert schaffen. Sie ermöglichen es, die Vorteile der Quantenverarbeitung zu nutzen, selbst wenn ein physischer Quantencomputer nicht verfügbar oder nicht praktikabel ist. Solche simulierten Systeme sind besonders nützlich in der Forschungs- und Entwicklungsphase, da sie es Wissenschaftlern ermöglichen, Quantenalgorithmen in einer kontrollierten und verständlichen Umgebung zu testen und zu optimieren.

Insgesamt bieten hybride Algorithmen, die die Stärken sowohl simulierter als auch realer Quantensysteme nutzen, eine flexible und leistungsstarke Möglichkeit, die Vorteile des Quantum Computing zu erforschen und zu nutzen, während sie die Herausforderungen und Einschränkungen der Technologie überwinden.

Professor Dr. Florian Neukart
Florian Neukart ist als Vorstand bei der Terra Quantum AG für Produktentwicklung zuständig. Er sitzt im Advisory Board der International Foundation of Artificial Intelligence and Quantum Computing, ist Sonderberater des Quantum Strategy Institute. Er zeichnet als Co-Autor für die Nationalen Roadmap für Quantencomputing Deutschlands verantwortlich. Im World Economic Forum ist er Mitglied des Future Council on Quantum Computing.
Bild: Privat