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  3. Smoothie - Gesund oder nicht? Die Illusion des gesunden Food-Trends – und welches Organ besonders leidet

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Die Smoothie-Illusion

Toasting with fruit smoothies Toasting with fruit smoothies
Quelle: Getty Images/PM Images
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Jeder dritte Deutsche trinkt gern Smoothies aus Obst und Gemüse, weil sie als nährstoffreich und sättigend gelten. Doch egal, ob gekauft oder selbst gemixt: Smoothies können auf Dauer weitreichende gesundheitliche Folgen haben, und ein Organ leidet besonders.

Die Mischung klingt gehaltvoll: dreieinhalb Äpfel, anderthalb Bananen, eine Birnenhälfte, das Viertel eines Pfirsichs, eine große Handvoll Heidel- und Johannisbeeren, dazu ein paar Kirschen. Wäre das ein Obstsalat, hätte jemand beim Sonntagsfrühstück gut daran zu kauen, doch die Früchte werden gepresst, püriert, zerdrückt – und in Flaschen abgefüllt. Ein Viertelliter, mehr bleibt davon nicht. Die Supermärkte führen Rezepturen in allen Farben des Regenbogens, und jeder dritte Deutsche greift regelmäßig zu. Weil es schmeckt oder gesund sein soll.

Wer den schnellen Vitaminkick liebt, der hat zu Hause womöglich einen „Smoothie-Maker“ stehen. Diese Geräte gelten als praktisch, weil sie helfen, die tägliche Ration an Obst (oder Gemüse) auf ein Glas zu reduzieren. Mit vielen Nähr- und Ballaststoffen und einer gehörigen Portion Fruchtzucker.

Auf Dauer ist das weder besonders gesund, noch dient es, „on top“ zu einer Mahlzeit, der Figur. Im Gegenteil: Fruchtpürees oder Säfte können weitreichende Folgen haben. Die Vitamin-Booster fluten den Organismus mit Fruchtzucker, sofort und in hohen Mengen, deshalb drängt sich die Frage auf, ob diese Modegetränke dem Körper wirklich nur Gutes tun – oder ihn nicht auch belasten.

So mancher Smoothie enthält mehr Zucker als Cola

Seit 2014 ist es in der Europäischen Union erlaubt, Produkte, als „besonders gesund“ zu bewerben, wenn mindestens 30 Prozent der Zuckermenge auf Fruchtzucker beruhen. Diese Fruktose ist Bestandteil des Haushaltszuckers: Im Team mit Glukose bildet sie das Doppelmolekül Saccharose. Allein besitzt sie jedoch eine stärkere Süßkraft und löst nach dem Verzehr nur eine geringe Insulinausschüttung aus, anders als Glukose. Allerdings bleibt das Sättigungsgefühl aus, deshalb essen Menschen weiter und legen an Gewicht zu, entwickeln gar eine Stoffwechselerkrankung.

Mediziner im Gespräch

Obst-Smoothies könnten ebenfalls zum Problem werden: „Wenn sie regelmäßig in größeren Mengen getrunken werden“, warnt Michael Roden, Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Selbst wenn keine Extrasüße hinzukommt: Die im Handel erhältlichen Produkte sind oft fruktosereich und enthalten je 100 Milliliter rund elf Gramm Zucker, mehr als so manche Limo oder Cola.

Fruktose wird in der Leber zu Fett umgebaut

Fruktose gelangt über die Darmwand ins Blut und wird – im Gegensatz zur Glukose, die alle Körperzellen als „Treibstoff“ nutzen können – fast ausschließlich in der Leber verarbeitet. Kommen dort große Mengen an, wenn etwa stark gesüßte Getränke wie Softdrinks oder Fruchtnektare konsumiert werden, wird „die Fruktose in der Leber sehr schnell, schneller als Glukose, zu Fett umgebaut“, erklärt Roden. Dieses Fett wird in der Leber oder in anderen Depots gespeichert.

„Fruktose wirkt fast, als würde man der Ernährung mehr Fett hinzuführen“, formulierte es einmal der Harvard-Mediziner C. Ronald Kahn, und das hat Folgen: „Fruktose legt den Grundstein für die Bildung einer nicht alkoholischen Fettlebererkrankung“, stellt Roden klar. Das trifft auf jeden vierten Bundesbürger über 40 Jahre und jedes dritte übergewichtige Kind zu; in einer Fettleber macht Fett fünf bis zehn Prozent des Gewebes aus.

Aber der Prozess deutet sich nicht immer durch eine Gewichtszunahme an, wie der Schweizer Endokrinologe Philipp Gerber 2021 im „Journal of Hepatology“ darlegte, denn die an einer Pilotstudie teilnehmenden Männer blieben schlank. Für sie genügte es aber sieben Wochen lang, 80 Gramm Fruktose oder Haushaltszucker täglich über drei Getränke zu sich zu nehmen, um die Fettproduktion in der Leber zu verdoppeln.

Negativer Einfluss auf die Darmflora

Wird die Leber regelmäßig mit großen Fruktosemengen geflutet, beeinträchtigt das die Funktion ihrer Mitochondrien, den zellulären Kraftwerken. Daraufhin ist die Fettverbrennung gestört: Die Leber muss mehr Fett speichern. „Zugleich entstehen bei der gestörten Fettverbrennung gefährliche Zwischenprodukte, sogenannte Lipotoxine“, berichtet Roden. Diese würden einerseits die Wirkung des Hormons Insulin im Körper hemmen, anderseits die Blutfettwerte ungünstig beeinflussen. Außerdem fördern diese Lipotoxine Entzündungsreaktionen in der Leber, und die können schließlich bis zur Leberzirrhose führen.

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Aus Tierversuchen ist außerdem bekannt, dass Fruktose die Darmflora negativ verändert. Der regelmäßige Verzehr hemmt manche Bakterienarten und fördert unerwünschte Bakterien, durch die Substanzen frei werden, die der Darmwand zusetzen. Mediziner sprechen vom Leaky-Gut-Syndrom: „Toxische Bakterienprodukte können dann aus dem Darm in den Blutkreislauf gelangen“, erklärt Roden. Gelangen diese Stoffe mit dem Blut zur Leber, könnte das deren Verfettung und Entzündung fördern.

Für Menschen mit einer Fruktoseunverträglichkeit, Malabsorption, ist Fruchtzucker ohnehin problematisch. Essen sie mehr, als es ihr individueller Schwellenwert erlaubt, bekommen sie Blähungen, Bauchkrämpfe, wässrigen Durchfall, Völlegefühl. „Deshalb wird die Fruktoseunverträglichkeit mitunter mit einem Reizdarmsyndrom verwechselt“, sagt die Ernährungsberaterin und -Therapeutin Ulrike Eigner aus Haßfurt. „Schätzungsweise jeder Dritte hat eine derartige Fruktosemalabsorption.“ Der Umstand, dass Fruktose immer mehr Lebensmittelprodukten zugesetzt wird, erschwere den Betroffenen das Leben.

Aus den USA drängt nämlich Maissirup – mit einem Fruktosegehalt von bis zu 90 Prozent, der Rest ist Glukose – auf den europäischen Lebensmittelmarkt. Das Süßungsmittel wird für Brot, Kuchen und Gebäck, Fruchtgummi, Schokoriegel, Eiscreme, Fertiggerichte, Snacks sowie Sportlernahrung verwendet. Je höher der Anteil an Fruktose desto süßer – und höher der Preis für die Gesundheit.

Smoothies sind für viele ein Ernährungs-Highlight – doch tun sie unserem Körper wirklich nur Gutes?
Smoothies sind für viele ein Ernährungs-Highlight – doch tun sie unserem Körper wirklich nur Gutes?
Quelle: pa/Westend61/Svetlana Karner

So warnt der Endokrinologe Gerber vom Universitätsspital Zürich in einem aktuellen Review vor den Folgen eines täglichen hohen Konsums von Getränken, die mit Fruktose reichem Sirup gesüßt sind. Wichtige Stoffwechselprozesse könnten dadurch aus dem Gleichgewicht geraten. Ist Fruktose nun zu verteufeln?

Zucker- und fettreiche Lebensmittel können das Gehirn verändern

„Nicht wenn sie durch Verzehr von ‚festem‘ Obst aufgenommen wird“, betont Roden. „Eingebunden in die Matrix einer Frucht dauert es, allein schon wegen der zugleich aufgenommenen Ballaststoffe, länger sie aufzunehmen.“ Zudem muss ein Apfel erst gekaut und im Magen zersetzt werden, bis die Fruktose im Darm freikommt – damit ist der Körper eine Weile beschäftigt. Smoothies machen es ihm dagegen viel zu leicht, liegen aber weltweit im Trend, ihr Absatzmarkt wächst.

Süßigkeiten beeinflussen außerdem das Belohnungssystem – und verführen den Menschen. Dass sowohl zucker- als auch fettreiche Lebensmittel das Gehirn nachhaltig verändern, konnten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung in Köln sowie der Yale University kürzlich in einer Studie bestätigen.

Sie ließen Probanden täglich Pudding essen, acht Wochen lang. Werden derart beglückende Lebensmittel regelmäßig verzehrt, selbst in kleinen Mengen, dressieren diese Snacks den Konsumenten: Das Hirn lernt und verdrahtet sich neu. „Durch die Veränderungen im Gehirn werden wir unbewusst jene Lebensmittel bevorzugen, die viel Fett und Zucker enthalten“, erklärt Studienleiter Marc Tittgemeyer. Die neuen Verbindungen würden nicht so schnell wieder gelöst.

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Das könnte erklären, warum der Einkauf im Supermarkt für viele zur Kalorienfalle wird. In den Regalen locken Genussmittel, deren hoher Zuckergehalt nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist, wenn auf der Verpackung etwa Sirup, Honig oder Agavendicksaft angegeben ist. „Alles, was zusätzlich gesüßt ist, ist bedenklich. Damit wird sehr schnell die Obergrenze der Weltgesundheitsorganisation von 25 Gramm Zucker pro Tag, also etwa sechs Teelöffel Zucker, überschritten“, warnt Michael Roden.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat 2021 in einer Stellungnahme mit dem Max-Rubner-Institut das Fazit gezogen, dass der regelmäßige, übermäßige Verzehr von Lebensmitteln mit natürlichen und zugefügten Zuckern Übergewicht samt Folgeerkrankungen begünstigt. Laut Roden ist aber davon auszugehen, dass außer dem Kaloriengehalt der Nahrung weitere Faktoren wie Bewegungsmangel oder die Störung des Darmmikrobioms eine Rolle spielen.

Dieser Artikel wurde erstmals im Juni 2023 veröffentlicht.

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