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Better Future Führungswillen

„Das Jahrhundert der Frauen“

Better Future Conference WELT AM SONNTAG 20.10.22 Better Future Conference WELT AM SONNTAG 20.10.22
„Frauen trauen sich Führung oft gar nicht zu“: Philosophin Svenja Flaßpöhler bei ihrer Eröffnungsrede zur „Better Future Conference“ im Berliner Verlagshaus von Axel Springer
Quelle: Philip Nürnberger
Wie können Frauen Macht erlangen und behalten? Auf der fünften „Better Future Conference“ von WELT AM SONNTAG diskutierten Top-Vertreterinnen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über weibliche Führungsstärke.

Worum geht es

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Zeiten des Umbruchs bergen immer auch besondere Chancen. Krisen rütteln auf. Sie brechen Gewohnheiten und alte Machtstrukturen. Das öffnet Türen für neue Formen von Führung – und für neue Anführerinnen. Wie Frauen in Unternehmen, Non-Profit-Organisationen oder der Politik diese Chancen ergreifen, wie sie Macht erlangen und diese dann für Veränderungen nutzen, darum drehte sich die fünfte „Better Future Conference“ der WELT AM SONNTAG.

„Female Leadership“ hieß die Überschrift, unter der Politikerinnen, Managerinnen, Wissenschaftlerinnen, Gründerinnen und Investorinnen im 19. Stock des Berliner Axel-Springer-Hauses diskutierten. Die Philosophin Svenja Flaßpöhler rief die Zuhörerinnen zum Auftakt auf, die weibliche Potenz zu entdecken. Frauen müsse es gelingen, ein über Jahrhunderte antrainiertes Schamgefühl abzulegen, um ihre volle Kraft zu entfalten.

Ein Schlaglicht auf strukturelle Hürden für Frauen in der Politik warfen drei Spitzenpolitikerinnen. Bisher setze sich dort vor allem der „laute, extrovertierte Typ“ durch, sagte die Bundesvorsitzende der Grünen, Ricarda Lang. Aber auch die Leisen und Nachdenklichen müssten mehr Gehör finden.

Krisenzeiten als Chance wahrnehmen

„Nicht die Frauen müssen sich verändern, sondern unsere Strukturen“, so Lang. Serap Güler (CDU) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) forderten zudem mehr Solidarität von Frauen untereinander. Schminkt sie sich zu stark? Schminkt sie sich überhaupt? Kleidet sie sich zu auffällig? Da sei grundsätzlich mehr Wohlwollen auch von Frau zu Frau gefragt. Darüber hinaus gelte es selbstverständlich, sich gegenseitig zu unterstützen. Doch in einem ist sich die FDP-Politikerin sicher: „Es ist jetzt das Jahrhundert der Frauen. Das Thema ist so klar und deutlich.“

Im Panel „Gekommen, um zu bleiben“ ging es um die Frage, wie Topmanagerinnen ihren Erfolg auf Dauer sichern. Nach Meinung von Christine Stimpel, Partnerin bei der Personalberatung Heidrick & Struggles, sind in vielen Führungsetagen Netzwerke und Seilschaften immer noch „Männersache“.

Besonders in Krisenzeiten brächen diese Strukturen auf. Der Satz „bad times are good times for good people“ könne aktueller kaum sein. „Wer sich schlau und flexibel zeigt, schafft auch den Schritt in ein Führungsgremium“, so Stimpel.

Ein wirksamer Karrieremotor für Frauen ist die eigene Ambition. „Für mich gab es entscheidende Momente, in denen ich gesagt habe: Ich will das, ich traue mir das zu, und ich habe dann gezeigt, dass ich das kann“, sagte Aletta von Massenbach, Vorsitzende der Geschäftsführung des Flughafens Berlin Brandenburg.

Karriere-Ambitionen geschickt anbringen

Nach vielen Jahren Berufserfahrung an unterschiedlichen Airports formulierte sie, obwohl sie gerade Mutter geworden war, klar den Wunsch, jetzt CEO eines Flughafens zu werden. Ihr Wunsch fand Gehör, von Massenbach leitete unter anderem Flughäfen in Bulgarien und der Türkei, bevor sie nach Berlin wechselte.

Dorothee Ritz hingegen berichtete, sie habe ihre Karriere nicht geplant. Die Juristin, die einst AOL Europe mitgründete, stieg dennoch in die Chefetagen auf, zunächst bei Microsoft Deutschland und Österreich. Heute ist sie Geschäftsführerin Digitales beim Energieriesen E.on. „Für mich war weniger der Titel entscheidend“, erklärt Ritz, „sondern der Umstand, total in einer Aufgabe aufzugehen.“

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Sich extra große Ziele zu setzen, habe sie immer gereizt – und die Mischung aus Bekanntem und Unbekanntem. „Klar muss ich mich in einem Feld auskennen. Aber es muss auch immer Herausforderungen geben, bei denen ich nicht sofort weiß, wie ich ein Problem löse.“

Better Future Conference WELT AM SONNTAG 20.10.22
Die Bühne gehört den Topmanagerinnen (v. l.): Moderatorin Inga Michler, Christine Stimpel (Personalberatung Heidrick & Struggles), Aletta von Massenbach (CEO Flughafen Berlin Brand...enburg), Dorothee Ritz (Geschäftsführerin Digitales E.on), Niddal Salah-Eldin (Vorständin Talent & Culture Axel Springer)
Quelle: Philip Nürnberger

Christine Stimpel warnte allerdings, zu viel Ambition zu zeigen – zumindest hierzulande. Denn Deutschland sei ein sehr dezentes Land. Anders als etwa in der amerikanischen Businesskultur stießen Eigenwerbung und häufige Jobwechsel auf Skepsis. Es komme deshalb darauf an, Ambitionen geschickt anzubringen: Wenn eine Situation kommt, in der eine Aktion erforderlich ist, dann sollte man aufstehen und sagen: „Ich mache das jetzt“, so Stimpel.

Nie die Servicerolle übernehmen

Man dürfe aber nicht in die Falle tappen, geflissentlich das aufzuräumen, was die Kollegen liegen gelassen haben. „Frauen, die Karriere machen wollen, sollten nie die Servicerolle ergreifen“, riet Stimpel, „sondern die Führungsrolle“. Das geht besonders gut im Team. Wer als Frau oder Firmenfremder allein in ein Führungsgremium aufsteige, habe es grundsätzlich schwer, so Stimpel.

Da sei ein über Jahre eingefahrener Vorstand vergleichbar mit einer Familie, in die man einheirate. Kämen in ein Gremium zwei oder drei Neue dazu, sei es leichter, Veränderungen anzustoßen. Von einer Quote auf dem Weg nach oben hält Lamia Messari-Becker, Professorin für Gebäudetechnologie in Siegen, wenig.

„Wenn wir mit Quoten agieren wollen und das zu Ende denken, gibt es eben nicht nur eine Quote für Frauen, sondern auch eine für andere Geschlechter, eine für Menschen mit Einschränkungen oder mit unterschiedliche Herkünften und viele andere. Wo soll das enden?“, sagte sie in ihrer Diskussionsrunde über Frauen in der Wissenschaft.

Diversität muss in Gremien sichtbar sein

In den Augen von Springer-Vorständin Niddal Salah-Eldin ist Vielfalt wichtig und muss in Gremien auch sichtbar sein. Dabei solle man Vielfalt keineswegs nur auf Merkmale wie Geschlecht, Alter oder Herkunft reduzieren.

Auch Diversität bei Fähigkeiten, sozialem Hintergrund, Bildung und weiterer nicht sichtbarer Eigenschaften sei wichtig, damit möglichst unterschiedliche Perspektiven in Entscheidungen einfließen.

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Salah-Eldin ist Chefin der FreeTech Academy und seit diesem Sommer auch Vorständin für Talent & Culture bei Axel Springer. Mehr Frauen in Top-Führungspositionen zu bringen, ist Salah-Eldin eine Herzensangelegenheit: „Mir ist bewusst, dass ich auch für die Frauen stehe, die nach mir kommen.

Jede Generation steht immer auf den Schultern ihrer Vorgängergeneration.“ Ob Frau oder Mann – wer sich auf eine Position mit Verantwortung einlässt, muss wissen, was sie oder er tut. Da waren sich alle einig.

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