Dramatischer Vergleich mit Jahr 1914: Joschka Fischer fürchtet um unsere Weltordnung

Ex-Außenminister und Vize-Kanzler Joschka Fischer (75) fordert größte diplomatische Anstrengungen, um einen Flächenbrand der aktuellen Kriegsherde zu verhindern

Ex-Außenminister und Vize-Kanzler Joschka Fischer (75) fordert größte diplomatische Anstrengungen, um einen Flächenbrand der aktuellen Kriegsherde zu verhindern

Foto: Getty Images
Von: Albert Link

Es sind die dramatischsten Worte, die man von Ex-Bundesaußenminister Joschka Fischer (75, Grüne) je gehört hat.

Fischer sieht in den Kriegen in der Ukraine und im Gaza-Streifen sowie in den immer größeren Spannungen zwischen China und den USA die Gefahr eines gewaltigen Flächenbrandes, fürchtet um unsere Weltordnung. Die „Pax Americana“, der amerikanische Gestaltungsanspruch in Bezug auf die Weltordnung nach 1945, stehe mittlerweile auf dem Spiel.

Indirekt warnt Fischer gegenüber der renommierten italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ gar vor einem neuen Weltkrieg: „Es ist schwer, nicht an das Jahr 1914 zurückzudenken, als die Ereignisse eine unkontrollierbare Wendung nahmen und den Ersten Weltkrieg auslösten“, sagte der frühere Außenminister. Jedes seiner Worte habe Fischer dabei sorgfältig abgewogen, schreibt das Blatt.

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Israel hat „keine andere Wahl“

Auch in Bezug auf den Terrorangriff der Hamas auf Israel ist Nahost-Kenner Fischer erkennbar bemüht, seinen Pessimismus nicht alarmistisch klingen zu lassen. Aber klar wird, dass er die Eskalation zu einem Flächenbrand fürchtet: Er sei in Sorge, dass die Gaza-Krise „die gesamte Region an den Rand eines allgemeinen Konflikts drängt“, sagt der Ex-Vizekanzler.

Israel habe „keine andere Wahl, als militärisch zu reagieren, um seine Abschreckungsfähigkeit wiederherzustellen.“ Mit der bitteren Konsequenz, dass der Hass zwischen beiden Seiten weiter wachse. Dies sei leider genau das Kalkül derjenigen gewesen, die „den Terroranschlag vom 7. Oktober geplant und durchgeführt haben“.

Begegnung 2001: Joschka Fischer als Bundesaußenminister mit Israels späterem Staatspräsidenten Schimon Peres (†2016 ) in Tel Aviv

Begegnung 2001: Joschka Fischer als Bundesaußenminister mit Israels späterem Staatspräsidenten Schimon Peres (†2016 ) in Tel Aviv

Foto: REUTERS

Brauchen „gigantische diplomatische Anstrengungen“

Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten zeigten eine „auffällige“ Parallele: „Beide haben im Kern einen existenziellen Kampf um das Überleben eines Nationalstaates.“

Kreml-Despot Wladimir Putin habe mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine den ersten Dominostein umgeworfen, um eine „neue geopolitische Polarisierung“ auszulösen – bei der jedoch niemand gewinnen könne.

Der Westen stehe auf der Seite von Kiew und Tel Aviv, während fast der gesamte Globale Süden auf der Gegenseite stehe – und auch Mächte wie China und Russland. Doch diese Dynamik dürfe der Westen nicht hinnehmen. „Gigantische diplomatische Anstrengungen“ seien nötig, um diese Polarisierung zu überwinden. Nicht zuletzt ein besserer „Platz am Tisch“ für den Globalen Süden.

Zumal auch noch das Risiko eines Militärkonflikts im Chinesischen Meer und in der Straße von Taiwan steige, in die „die Supermächte USA und China schließlich direkt verwickelt wären“.

Lichtblick aus der Sicht von Joschka Fischer: Die „umsichtige und erfahrene Führung“ von US-Präsident Joe Biden (80). Ohne den oft wegen seines Alters belächelten Chef im Weißen Haus wäre die „Welt noch unsicherer und gefährlicher als sie ist.“

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