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Autoland Kalifornien: Vorbild im Westen

Mobilitätswandel Wie Kalifornien der Autowelt die Trends diktiert

Kaum eine andere Weltregion beeinflusst die Autoindustrie so stark wie Kalifornien. Strenge Abgasvorschriften, eine ausgeprägte PS-Kultur und die Gier nach Luxus machen den Markt zum Versuchslabor der Konzerne. Inzwischen wird dort über die Zukunft des Automobils entschieden.

China treibt die Stückzahlen in die Höhe, Kalifornien hält die antriebstechnische Entwicklung auf Touren. Damit sind, etwas vereinfacht, die beiden wichtigsten Einflusszonen der globalen Autoindustrie lokalisiert. Innerhalb der USA, dem nach wie vor größten Automobilmarkt der Welt, hat Kalifornien seit Jahrzehnten eine Vorreiterrolle in Sachen Abgasgesetzgebung inne.

Die bewirkte, dass die Autoindustrie bereits in den neunziger Jahren erste Elektroautos entwickelte - vom EV1 von General Motors über den BMW E1 oder den VW Golf City-Stromer bis hin zur damaligen Mercedes A-Klasse, die auch für einen Elektroantrieb ausgelegt war.

Grüne Gesetzgebung hat im Golden State Tradition. Weil die Ballungszentren an der US-Pazifikküste - vor allem der Großraum Los Angeles - extrem smoganfällig sind, wurde bereits 1967 das Californian Air Resources Board (kurz: CARB) gegründet, eine Behörde, deren Hauptaufgabe bis heute die Luftreinhaltung ist. Schon in den siebziger Jahren mussten Fahrzeuge, die in Kalifornien zugelassen werden sollten, strengere Emissionsvorgaben erfüllen als in allen anderen US-Bundesstaaten.

Abgasvorschriften als Innovationsmotor

1990 führte die CARB dann ein "Zero-Emission-Program" ein, das den Autoherstellern vorschrieb, bis 1998 mindestens zwei Prozent aller Neuwagen so zu bauen, dass sie abgasfrei betrieben werden können; bis 2003 sollte die Quote auf zehn Prozent steigen.

Dass es anders kam, lag vor allem an der Lobbyarbeit der Konzerne, die vehement gegen die CARB-Gesetze vorgingen. Die Folge: Die scharfen Abgasbestimmungen wurden aufgeweicht, aus den ursprünglich geforderten Zero-Emission-Vehicles wurden Low-Emission-Vehicles, zu denen auch Autos mit Hybridantrieb oder mit sehr sparsamen Verbrennungsmotoren zählten. Um reine Elektroautos begann die Industrie sich erst später wieder zu kümmern - diesmal waren die stark gestiegenen Rohölpreise der Hauptgrund für das Interesse an alternativen Antrieben.

Trotz der Verwässerung gilt das "Low-Emission-Program" nach wie vor. Kalifornien gehört weiterhin zu den Regionen der Welt mit den schärfsten Abgasgrenzwerten. Behörden und die sogenannten Big Seven - damit sind die Autohersteller Daimler  , Volkswagen Stammaktien  , General Motors  , Ford  , Toyota  , Honda   und Hyundai   gemeint - haben sich darauf geeinigt, dass bis zum Jahr 2018 unter allen neu zugelassenen Autos in Kalifornien mindestens 18 Prozent an Zero-Emission-Vehicles (ZEV) sein müssen.

Inzwischen haben zehn weitere US-Bundesstaaten die kalifornischen Abgasregeln übernommen, was den Druck auf die Autohersteller erhöht, der Zusage auch wirklich nachzukommen.

Neue Hybrid- und Elektroautos auf der Show in Los Angeles

Die in dieser Woche beginnende Autoshow in Los Angeles spiegelt die ökologische Vorreiterrolle Kaliforniens wieder. Nicht nur, weil auf der Messe seit dem Jahr 2006 der "Green Car of the Year"-Award verliehen wird, sondern weil beispielsweise in diesem Jahr der VW Jetta Hybrid, mehrere neue Plug-In-Hybrid-Modelle von Ford und Honda sowie reine Elektroautos wie der Chevrolet Spark EV, der Ford Focus Electric und der Fiat 500e auf der Messe stehen werden. "Den Fiat 500 mit Elektromotor bauen wir deshalb, weil es die kalifornischen Gesetze erfordern", wird Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne in US-Medien zitiert. "Wir werden mit jedem dieser Autos Geld verlieren."

Das jedoch ist kein Naturgesetz. Auch Toyota legte anfangs bei jedem verkauften Hybridauto Prius drauf. Ende der neunziger Jahre kam der Wagen für 19.995 Dollar in den USA auf den Markt, ein Kampfpreis, bei dem der japanische Konzern nach Schätzung von Experten etliche hundert Dollar pro Fahrzeug drauflegte.

Doch die Strategie, eine neue Technik günstig anzubieten und für die Hybrid-Komponenten darüber hinaus eine Sieben-Jahres-Garantie zu gewähren, zahlte sich aus: Der Prius avancierte vor allem in Kalifornien rasch zum Lieblingsauto umweltbewusster Kunden. Heute wird das Auto ab 26.650 Dollar angeboten - und ist in diesem Jahr das bislang meistverkaufte Modell in Kalifornien.

46.380 Exemplare wurden in den ersten neun Monaten des Jahres 2012 hier abgesetzt. In Deutschland gab es im gleichen Zeitraum nur gut ein Drittel an Hybridauto-Neuzulassungen insgesamt, nämlich rund 16.000. Weltweit markiert der Prius den Durchbruch der Hybridtechnologie.

Auf der anderen Seite - die Gier nach Luxus

Die grünen Autos sind allerdings nur die eine Seite des kalifornischen Automarktes, die andere, das sind mit allen Schikanen ausgestattete Luxusmodelle. Porsche zum Beispiel sagt, der Küstenstaat sei "einer der Kernmärkte" der Marke, weil sich hier seit den fünfziger Jahren eine "ganz besondere Lifestyle- und Autokultur" etablierte.

In Kalifornien sind Importwagen aus Europa so beliebt wie in keinem anderen US-Bundesstaat. VW verkaufte dort in den ersten neun Monaten 47.908 Autos, Mercedes 46.239, BMW   40.407, Audi 18.917 und Porsche   5416. Und natürlich verkaufen sich Highend-Modelle dort ebenfalls bestens. Rolls-Royce etwa setzt ein Zehntel seiner Produktion in Kalifornien ab, es gibt dort sieben Händler (in Deutschland vier), und der Betrieb in Beverly Hills ist nicht nur der größte Rolls-Royce-Betrieb der USA, sondern verkaufte unlängst auch eine Art Hauslimousine, den Phantom Bevery Hills Edition.

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass ausgerechnet zwei Auto-Newcomer aus Kalifornien beide Anforderungen in ihren Fahrzeugen vereinen: Tesla Motors und Fisker Automotive. Die beiden Hersteller, 2003 (Tesla) und 2007 (Fisker) gegründet, setzen konsequent auf Fahrzeuge mit alternativen Antrieben - die aber gleichzeitig teuer, exklusiv und sportlich sind. Tesla baut rein elektrische Modelle, Fisker setzt auf die Kombination aus E-Maschine plus Range-Extender, also einen Verbrennungsmotor, der während der Fahrt elektrische Energie erzeugt und so den Akku permanent lädt.

Daimler übrigens, die Firma, die sich als "Erfinder des Automobils" versteht, ist vor drei Jahren bei Tesla mit zehn Prozent eingestiegen. Es war wie eine offizielle Anerkennung der alten Autowelt, dass in Kalifornien nicht mehr nur ästhetische Trends gemacht werden, wie die Designstudios zahlreicher Autokonzerne an der Pazifikküste beweisen. Sondern auch technische. Ganz gleich, wie das Auto der Zukunft fahren wird: Es wird zumindest zum Teil kalifornische Wurzeln haben.

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