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Neue Seidenstraße – Chinas großes Infrastrukturprogramm für politischen Einfluss

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Duisburg Containerhafen
Container aus China kommen in Duisburg, einem der Endpunkte der neuen Seidenstraße, an. © Rupert Oberhäuser / IMAGO

Das Großprojekt „Neue Seidenstraße“ beschreibt ein Transportnetz, das an die alte Seidenstraße, auf der auch Marco Polo reiste, anknüpft. Zahlreiche Handelsrouten sollen auf Land- und Seewegen entstehen. Bis 2049 ist die Fertigstellung anvisiert.

Duisburg – Hier kommen wöchentliche zahlreiche Container aus China an. Denn die deutsche Stadt ist einer der Endpunkte der Neuen Seidenstraße und als solcher bereits in Betrieb. Bei der Neuen Seidenstraße handelt es sich um ein chinesisches Projekt, das Europa und Asien auf dem Land- und Seeweg enger verbinden soll.

Die Neue Seidenstraße: Ein Überblick

Das Projekt Neue Seidenstraße beschreibt den seit 2013 stattfinden Auf- und Ausbau der interkontinentalen Infra- und Handelsstruktur. Im Mittelpunkt steht die Volksrepublik China, die das Projekt ins Leben gerufen hat. Über 60 weitere Länder in Asien, Afrika und Europa sollen mit China und untereinander verbunden werden. Der offizielle chinesische Name lautet „Yi dai, yi lu“, was so viel wie „Ein Gürtel, eine Straße“ bedeutet, wovon sich die englische Bezeichnung „One Belt, One Road“ beziehungsweise „Belt and Road Initiative“ (BRI) ableitet.

Bei dem Namen könnte man meinen, dass es sich um eine durchgängige Route handelt. Doch dem ist nicht so. Tatsächlich soll ein weitverzweigtes Transportnetz entstehen, das See- und Landwege umfasst – die Neue Seidenstraße besteht eigentlich aus dem „Silk Road Economic Belt“ und der „Maritime Silk Road“. Damit knüpft das Projekt an die alten Handelsrouten an, die China einst mit dem Westen verbanden.

Staatspräsident Xi Jinping gilt als Erfinder des Konzeptes. Er kündigte die Idee 2013 an und proklamierte sie als die seine. Allerdings war schon lange vor seiner Amtszeit immer wieder die Rede von einer Neubelebung des Seidenstraßen-Konzepts.

Die Neue Seidenstraße: Nach dem Vorbild der Alten Seidenstraße

Die historische Seidenstraße war in der Antike ein Netz von Karawanenwegen, über die Seide aus China in die westliche Welt transportiert wurde. Gleichzeitig kamen so europäische Güter, vor allem Wolle, Gold und Silber, nach Fernost. Die Hauptroute verband also den Mittelmeerraum über Zentralasien mit Ostasien. Die bekannteste Route führte von Istanbul und Damaskus nach Xi‘an. Sie ging dafür über das Pamir-Gebirge sowie durch die Taklamakan-Wüste. Xi‘an war damals eine der weltweit größten Städte und phasenweise auch Chinas Hauptstadt.

Neben den Landwegen existierte die maritime Seidenstraße. Auf ihr fuhren Schiffe von chinesischen Häfen über die südostasiatische Küste nach Afrika, Indien und Arabien. Zwischen der ostiranischen Hochebene im Westen und der Wüste Gobi im Osten befand sich das Kernstück beziehungsweise die sogenannte Mittlere Seidenstraße.

Bedeutung der Alten Seidenstraße

Ihre größte Bedeutung für Kaufleute, Armeen und Gelehrte hatte die Seidenstraße zwischen 115 v. Chr. und dem 13. bis 14. Jahrhundert. In diesem Zeitraum reisten nicht nur Waren auf ihr durch die Welt; auch Ideen, Religionen und Kulturkreise migrierten von Ost nach West und umgekehrt. Beispielsweise kam so der Buddhismus nach China. Allerdings ist die Seidenstraße nach verbreiteter Ansicht auch einer der Hauptwege, über den die Pestbakterien Mitte des 14. Jahrhunderts von Asien nach Europa gelangten.

Mit dem zunehmenden Verlust des römischen Territoriums in Asien sowie dem Aufstieg Arabiens in der Levante wurde die Seidenstraße zu einem unsicheren Gebiet und nur noch wenige bereisten sie. Kurzzeitig erlebte sie unter den Mongolen einen erneuten Aufschwung; Der Venezianer Marco Polo reiste Ende des 13. Jahrhunderts auf ihr angeblich nach China. Ab dem 15. Jahrhundert begann die Seidenstraße mit den europäischen Eroberungszügen und dem wachsenden Seehandel, an Bedeutung zu verlieren, bis sie schließlich mehr oder weniger in Vergessenheit geriet. Ihren Namen „Seidenstraße“ erhielt sie erst 1877 von dem deutschen Geografen Ferdinand von Richthofen.

Die Neue Seidenstraße: Verlauf

Der Silk Road Economic Belt der Neuen Seidenstraße – also die Landverkehrswege – bestehen aus insgesamt sechs Korridoren beziehungsweise Routen:

Auch die Seewege sind ganz wie die Alte Seidenstraße in mehrere Routen aufgeteilt. Hier sind es insgesamt neun:

Die wichtigsten Häfen der maritimen Route in Europa sind Piräus in Griechenland, Sines in Portugal und Triest in Italien.

Die Neue Seidenstraße: Bau und Fertigstellung

Anfang September 2013 sprach Präsident Xi Jinping während seiner Tour durch Zentralasien an der kasachischen Nasarbajew-Universität erstmals von der Neuen Seidenstraße. Im Oktober desselben Jahres kündigte er auch eine neue maritime Seidenstraße an. Als Beginn des Projektes wird der 24./25. Oktober 2013 gesehen. An diesen Tagen betonte Xi Jinping bei einem Arbeitstreffen der Kommunistischen Partei Chinas die Aufwertung von regionalen Wirtschaftskooperationen. Schließlich stellten chinesische Politiker das Projekt in Jakarta im indonesischen Parlament sowie auf dem ASEAN-China-Gipfel in Brunei vor. Bald darauf begannen die Arbeiten an den neuen Handelswegen. Zwischendurch kam es aufgrund von Finanzierungsfragen zu Unterbrechungen. Vor allem 2018 war dies der Fall. Am 25. Juli 2019 wurden die Bauarbeiten an der Bahnlinie „East Coast Rail Link“ wieder aufgenommen. Die Strecke soll Ende 2026 fertig sein. Die Fertigstellung des gesamten Seidenstraßen-Projektes ist derzeit für 2049 vorgesehen.

Die Neue Seidenstraße: Finanzierung

Viele der einzelnen Bauprojekte zahlt und realisiert China selbst. Die Finanzierung erfolgt dabei über den „Seidenstraße-Fonds“, die New Development Bank und seit 2016 über die AIIB, die Asiatische Infrastruktur-Investmentbank. Schätzungen zufolge werden 1,1 Billionen US-Dollar für das Gesamtprojekt benötigt. Bis 2019 investierte China bereits um die 730 Milliarden Dollar.

Mehr als 60 Prozent der Weltbevölkerung sind von der Neuen Seidenstraße betroffen, genauso wie etwa 35 Prozent der Weltwirtschaft. Knapp 40 Prozent des Welthandels könnte schon bald entlang der Seidenstraße stattfinden. Der Großteil wird über den Seeweg erfolgen. Mehr als 100 Länder haben bereits Kooperationsverträge mit der Volksrepublik China für den Bau von Straßen, Häfen, Bahnlinien und Flughäfen unterzeichnet. Daran geknüpft sind keine politischen Bedingungen, dafür aber die Bedingung, dass chinesische Firmen bei den Bauprojekten Vorrang erhalten. Einheimische Unternehmen kommen demnach nur beschränkt zum Einsatz. Die Kreditvereinbarungen mit Entwicklungsländern möchte China seit 2014 geheim halten. Mit den Vereinbarungen und Investitionen steigt der Einfluss der Volksrepublik im Ausland und besonders in ärmeren Staaten.

Die Neue Seidenstraße: Kritik

Dieser Einfluss wird häufig kritisiert. Einige Beobachter sind der Meinung, dass das Projekt keine Kooperation und gleichberechtigte Zusammenarbeit darstellt, sondern vielmehr ein chinesisches Großvorhaben, das vor allem China auf wirtschaftlicher und geopolitischer Ebene zugutekommt. Demnach würde China seine Rolle auf internationalem Markt ausbauen sowie Exportmärkte schaffen und den Zugang zu Rohstoffen sichern wollen. Auf Umwelt- und Sozialstandards nähme China keine Rücksicht. Biologen befürchten, dass es in einigen Weltregionen durch die Einschleppung von gebietsfremden Arten zur Schädigung der Ökosysteme und Biodiversität kommt.

Des Weiteren weisen Kritiker darauf hin, dass Länder, die umfassende Kredite von China erhalten haben, in eine Schuldenfalle beziehungsweise in chinesische Abhängigkeit geraten könnten. Vor allem ärmere Länder seien hiervon betroffen. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron warnt sogar davor, dass die Staaten möglicherweise zu Chinas Vasallen werden. Immerhin übte China bereits Druck auf Regierungen beteiligter Staaten aus, woraufhin deren Widerspruch gegen Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen zurückging. Von chinesischer Seite aus wird jedoch stets betont, dass die Neue Seidenstraße der ganzen Welt diene.

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