Psychologie 21.02.2011

Umgang mit unterschiedlichen Persönlichkeitstypen

Umgang mit unterschiedlichen Persönlichkeitstypen

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So einzigartig und individuell jeder Mensch ist, es lassen sich doch immer wieder deutliche Ähnlichkeiten zwischen Menschen feststellen – man spricht dann von Persönlichkeitstypen. Nutzen Sie psychologisches Grundwissen der Typologienlehre für einen konstruktiven und erfolgreichen Umgang mit unterschiedlichen Typen, die Ihnen in Ihrer Zahnarztpraxis begegnen – Ihre Patienten, Mitarbeiter/-innen, Kollegen etc.

Wir alle kennen Situationen sowohl aus dem beruflichen als auch aus dem privaten Umfeld, wo uns Arbeitskollegen, Vorgesetzte, Kunden, aber auch Freunde, an unsere Grenzen von Verständnis und Geduld bringen. Dann reagieren wir genervt, beleidigt, vielleicht sogar aggressiv. Verhaltensweisen, die wir uns im privaten Umfeld meist zugestehen – im beruflichen Kontext haben solche Emotionen nach gängigen Vorstellungen jedoch nichts zu suchen. Doch obgleich wir uns bemühen, „professionell“ zu agieren, kommen solche Emotionen auch am Arbeitsplatz vor, einfach weil wir zur Spezies Mensch gehören. Und das geht Zahnärzten und ihren Praxismitarbeiter/-innen nicht anders. Wenn dann noch zusätzliche Stressfaktoren wie hohe Arbeitsbelastung, schwierige (zahn-)medizinische Behandlungen etc. dazukommen, kochen Emotionen noch schneller hoch. Unzufriedene Patienten, angespanntes Arbeitsklima, erhöhte Fehlerquote sind nur wenige Beispiele für mögliche Auswirkungen. Diese geben wiederum Grund, um emotional zu reagieren – ein ewiger Teufelskreis.

Jedoch geht es weniger um die Frage, wo die Ursache für diesen Teufelskreis liegt. Diese Suche führt unweigerlich in eine Sackgasse – schnell ist man bei der Frage, wer Recht oder Unrecht hat, wie es richtig gehört, was ein Patient erwarten darf und was nicht … Doch darin liegt nicht die Lösung. Der Schlüssel für einen Ausstieg aus dem Teufelskreis liegt darin, den Patienten, den Mitarbeiter, den Praxisinhaber mit seinen „Ecken und Kanten“ so anzunehmen wie er ist und die Bedürfnisse „hinter“ seinem Verhalten wahrzunehmen.

Zu Recht sagen Sie nun: „Das klingt ja zu schön und zu einfach, um wahr zu sein!“ In der Tat, es klingt einfach, ist im Alltag aber oft schwierig. Und doch gibt es einen verblüffend einfachen Weg für diese große Herausforderung. Einfach deshalb, weil es dafür pragmatische Hilfestellungen gibt.


Insights® Discovery
Wie der Name bereits verrät, „Insights Discovery“ – kurz ISD – hilft Ihnen, hinter die Fassaden zu schauen und zu entdecken, wo Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Beziehung mit Patienten, Mitarbeiter/-innen, Kollegen etc. liegen. Dabei wird der Blick sowohl hinter die eigene Fassade als auch hinter die Fassade des anderen gerichtet. Ziel dabei ist nicht, zu manipulieren, sondern zu verstehen. Erst wenn man um die eigene Außenwirkung weiß und im Verhalten des anderen einen Ausdruck seiner Bemühungen, Bedürfnisse und Unsicherheiten sieht, können Wege für ein konstruktives Miteinander gefunden werden.

ISD ist ein wissenschaftliches Instrument zur Analyse von Verhaltenspräferenzen und geht auf die Typologienlehre von C.G. Jung (Schweizer Arzt und Psychologe, Schüler Sigmund Freuds, 1875–1961) zurück. Seit den Sechzigerjahren wird bis heute auf Basis des Jung'schen Modells weltweit geforscht. Insights Discovery ist die moderne Weiterentwicklung und Umsetzung der Jung’schen Erkenntnisse. Jung sagt, dass auf der Ebene des Bewusstseins menschliches Verhalten nach Dimensionen von Polaritäten eingeordnet werden kann. Die drei zentralen Polaritäten sind:

• Denken – Fühlen
• Intuition – Sensorik
• Extraversion – Introversion.

Je nach Ausprägung beziehungsweise Kombination dieser drei Dimensionen lassen sich unterschiedliche Menschentypen beobachten. Diese Dimensionen werden im ISD durch vier Hauptenergien, symbolisiert durch Farben, ausgedrückt:

• das extrovertierte Denken (Rot)
• das extrovertierte Fühlen (Gelb)
• das introvertierte Denken (Blau)
• das introvertierte Fühlen (Grün).

Diese vier Hauptenergien werden in ihrer Ausprägung in acht Haupttypen und diese wiederum in Sub-Typen unterteilt. Insgesamt ergeben sich daraus 72 Profile. Diese starke Differenzierung zeigt, dass ISD der Einzigartigkeit und Individualität des Menschen Rechnung trägt und auf zu vereinfachende Kategorisierung verzichtet.




Darstellung der acht ISD-Haupttypen und Beispiel für eine Positionierung im ISD-Typenrad.



Ziel und Anwendung
ISD hat zum Ziel, Wertschätzung und Anerkennung von Andersartigkeit zu fördern, sodass persönliche Unterschiede nicht als Hindernis, sondern vielmehr als Synergien erlebt und genutzt werden können. Der Weg dorthin führt über die Auseinandersetzung mit den eigenen Verhaltens- und Kommunikationspräferenzen. Erst wenn man ein tieferes Verständnis für sich selbst entwickelt hat, seine Wirkung auf andere kennt, eigene Stärken und Schwächen bewusst wahrnimmt, kann ein konstruktiver Blick auf andere erfolgen.

Man lernt, andere besser zu verstehen, indem man ihre Verhaltensstile, ihre unterschiedlichen Denk- und Handlungsmuster erkennen und anerkennen lernt. So können auf Basis von Wertschätzung und Akzeptanz individuelle Strategien im Umgang mit dieser Andersartigkeit entwickelt werden – je nach Situation, Rollen und Zielen.

Die Praxis aus Coaching und Therapie zeigt, dass gerade der Weg des „Sosein-lassens“ den Raum für Veränderung öffnet. Der Versuch, andere zu ändern oder ihnen eigene Vorstellungen oder Verhaltensstrategien aufzudrängen, führt in der Regel zu Widerstand und Konflikten.


ISD-Präferenzenanalyse
In einem Fragebogen werden (in circa 20 Minuten) Wortpaare ausgewählt, die nach Selbsteinschätzung dem eigenen Verhalten im Arbeitsumfeld entsprechen. Durch ein PC-gestütztes Auswertungsprogramm werden diese Angaben in eine ausführliche (circa 20 Seiten) Analyse verwandelt, die Auskunft gibt über Aspekte wie persönlicher Stil, Interaktion mit anderen, Treffen von Entscheidungen, Wert für das Team u.v.m.

Obwohl dieser Report bereits zahlreiche Anregungen und Hinweise auf den Umgang mit schwierigen Situationen und Personen gibt, ist es dennoch empfehlenswert, die Ergebnisse in einem persönlichen Beratungsgespräch zu betrachten, um in Bezug auf individuelle
Arbeitssituationen konkrete Lösungen zu finden und persönliche Entwicklungsschritte zu definieren.


Der Nutzen für Ihre Praxis

Wenn Sie sich an den eingangs beschriebenen Teufelskreis erinnern, liegen für Sie möglicherweise die Vorteile beziehungsweise der Nutzen von Insights Discovery bereits auf der Hand. Wie in jedem Unternehmen gewinnen die Themen Kommunikation, Führung und Teamarbeit auch in Zahnarztpraxen zusehends an Bedeutung. Die Fähigkeit, tragfähige Beziehungen aufzubauen – sowohl zu den Patienten, zu den Mitarbeitern als auch zwischen Mitgliedern des Praxisteams – stellt eine wesentliche Schlüsselkompetenz für Erfolg dar. Und zu guter Letzt soll Kommunikation ja nicht (nur) Mittel zum Zweck sein, sondern in erster Linie zum eigenen Wohlbefinden und Spaß bei der Arbeit beitragen – in einem Ambiente von Anerkennung, Wertschätzung und gegenseitiger Unterstützung.


Umgang mit den Patienten
Ob es sich nun um ältere Patienten, um Kinder, um ängstliche Patienten oder gestresste Manager handelt – je besser es dem Zahnarzt und seinem Team gelingt, sich auf die jeweiligen Bedürfnisse und Vorlieben der Patienten einzustellen, umso mehr gewinnen sie deren Vertrauen und bauen ein Verhältnis von Loyalität und Verständnis auf.

Ein wesentlicher Faktor von Flexibilität im Umgang mit unterschiedlichen „Patienten-Typen“ liegt im Tempo. Während es manchen Patienten (hoher Rot-Anteil im ISD) nicht schnell genug gehen kann (Wartezeiten sind bei ihnen absolutes K.-o.-Kriterium, es kann und soll schnell zur Sache gehen), erwarten sich andere Patienten (hoher Grün-Anteil im ISD) Zeit, um richtig anzukommen (kurze Wartezeiten werden oft als angenehm empfunden), ausreichend Zeit für ein persönliches Gespräch, Entscheidungen mit Ruhe und Bedacht zu fällen. Kinder (oft hoher Gelb-Anteil im ISD) brauchen meist Zeit, um – gerade wenn sie neu sind in der Praxis – ihre Umwelt spielerisch zu erkunden und Fragen zu stellen.

Ein weiterer Flexibilitäts-Aspekt stellt der Grad an Detaillierung dar. Manche Patienten (hoher Blau-Anteil im ISD) haben großes Interesse an Detailinformationen: an genauen Therapieabläufen, Wirkmechanismen, Hintergründen, Risiken etc. – denn so entsteht für sie Vertrauen und Sicherheit. Andere Patienten (hoher Rot-Anteil im ISD) wiederum sind sehr ergebnis- und zielorientiert. Es zählt weniger das „wie genau“, sondern der Nutzen und das Ergebnis der Therapie. Sie legen weniger Wert auf Präzision als auf Pragmatik und Kosten-Nutzen-Verhältnis einer Therapie.

Variiert werden sollte nach Möglichkeit auch die Nähe und Distanz im persönlichen Umgang mit Patienten. Selbstverständlich möchten in der Regel alle Patienten freundlich und zuvorkommend behandelt werden – allerdings gibt es Unterschiede, wie angenehm (oder unangenehm) Menschen persönlichen Kontakt empfinden. Während introvertierte, sehr sachbezogene Menschen (hoher Blau-Anteil im ISD) meist mehr Distanz im zwischenmenschlichen Kontakt bevorzugen, beispielsweise durch Vermeidung von unnötigem körperlichen Kontakt, persönlichen Gesprächen, zu direktem Augenkontakt etc., genießen extrovertierte, gefühlsbetonte Menschen (hoher Gelb- Anteil im ISD) persönliche Nähe, beispielsweise durch gefühlsbetonte Gespräche, ausgedrückte Anteilnahme oder gelebte Fürsorglichkeit.


Umgang im Praxisteam
Ein Kennzeichen einer erfolgreichen Praxis ist ein abgestimmtes, gut zusammenarbeitendes Team. Ein eingespieltes Team fällt nicht einfach vom Himmel, es entsteht im Laufe der Zeit, in der Regel durch Unterstützung von außen: durch klare Kommunikationsprozesse, durch klar verteilte Aufgaben und Verantwortungen, aber auch durch definierte „Spielregeln“, die zentrale Kriterien und Werte im Miteinander beschreiben. Bezogen auf ISD zeichnet einerfolgreiches Team unter anderem aus, dass alle Hauptenergien im Team vorhanden sind – solche Teams sind bestens geeignet, komplexe Aufgaben zu meistern und ein gutes Teamklima zu entwickeln – vorausgesetzt, die unterschiedlichen Persönlichkeitstypen können konstruktiv und kreativ mit ihrer Andersartigkeit umgehen.

In der Praxis wird der Faktor Persönlichkeit bei Teambildungs- und Teamentwicklungsprozessen oft unterschätzt. Es wird zu wenig darauf geachtet, persönliche Präferenzen (Stärken) bei der Zuordnung von Aufgaben und bei der weiteren Entwicklung von Kompetenzen („Stärken stärken“) zu berücksichtigen. Je besser die eigenen Stärken bei der Arbeit eingesetzt werden, umso mehr Energie steht zur Verfügung, um weitere oder schwierigere Aufgaben und mehr Verantwortungen zu übernehmen. Zudem macht so die Arbeit mehr Spaß, weil täglich viele Erfolgserlebnisse – ein wichtiger Motor für Motivation – verzeichnet werden können.

Zentrale Aufgabe im Teamentwicklungsprozess ist es, für die Akzeptanz von Andersartigkeit einzelner Mitglieder und den bewussten Umgang damit im Team zu sorgen. Auf diese Weise kann sich allmählich die Perspektive in der Wahrnehmung einzelner Teammitglieder in Bezug auf persönliche Unterschiede ändern und darin eine Chance erkannt werden: Andersartigkeit wird nicht mehr als Hindernis oder Bremse erlebt sondern, als wertvolle Ergänzung und Möglichkeit für gegenseitige Unterstützung und Entlastung.

Wie kann so etwas in der Praxis aussehen? Bereits bei der Besetzung von Teampositionen kann darauf geachtet werden, welche persönliche Kompetenzen eine Aufgabe erfordert: Ist es analytisches und genaues Arbeiten? Ist es fürsorgliches, dienstleistungsorientiertes Verhalten? Ist es die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und auch für andere im Team Verantwortung zu übernehmen? Je besser ein Praxisinhaber oder Praxismanager Präferenzen (potenzieller) Mitarbeiter/-innen einschätzen kann, umso besser wird eine Zuordnung zu entsprechenden Aufgaben erfolgen können. Im nächsten Schritt ist es wichtig, Mitarbeiter/-innen bzgl. deren Verhaltenspräferenzen zu kennen, um beispielsweise Mitarbeitergespräche so zu führen, dass sie konstruktiv und lösungsorientiert sind. Wie sollte das Gespräch ablaufen, damit Sie Ihre Punkte so darstellen, dass der/die Mitarbeiter/-in diese verstehen, nachvollziehen und annehmen kann? Was motiviert den/die Mitarbeiter/-in? Zuletzt ist es für ein gutes Team hilfreich, wenn sich alle Mitglieder im Praxisteam nicht nur in Bezug auf ihre Aufgaben und Einsatzgebiete, sondern auch in Bezug auf ihre persönlichen Präferenzen kennen. Dies wird ihnen den konstruktiven Umgang miteinander unglaublich erleichtern, Missverständnissen entgegenwirken und Hilfen beim Klären von Unstimmigkeiten geben.

Autorin: Christa Beyrer, Diplom-Psychologin und zertifizierte ISD-Beraterin


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