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S.P.O.N. - Der Schwarze Kanal Warum sind so viele Journalisten links?

Zweidrittel der im Meinungsgeschäft Tätigen sympathisiert mit Rot-Grün. Der US-Autor Tom Wolfe hat jetzt eine originelle Erklärung für die mediale Dominanz der Linken gefunden: Die Gründe liegen in einer frühen Traumatisierung auf dem Schulhof.

Es gibt im Journalismus ein paar Wahrheiten, die meist ungesagt bleiben, auch wenn sie axiomatisch sind. Schlechte Nachrichten verkaufen sich besser als gute, weshalb Chefredakteure Kriege, Unfälle und andere Katastrophen lieben. In Redaktionskonferenzen reden vor allem diejenigen, die nachher am wenigsten zum Gelingen beitragen. Und die meisten Journalisten sind im Herzen links.

Was die politische Überzeugung angeht, sind die Zahlen eindeutig. Nach einer der größten Studien zum Thema, 2005 durchgeführt vom Hamburger Institut für Journalistik unter 1500 Journalisten aller Gattungen, verteilt sich die politische Sympathie der im Meinungsgeschäft Tätigen wie folgt:

Grüne: 35,5 Prozent,
SPD: 26 Prozent,
CDU: 8,7 Prozent,
FDP: 6,3 Prozent
Sonstige: 4
keine Partei: 19,6 Prozent.

Dem bürgerlichen Lager neigen also gerade mal 15 Prozent der in Deutschland arbeitenden Journalisten zu.

Man kann mit einem Blick auf die Wahlergebnisse lange darüber streiten, welchen Einfluss die mediale Dominanz der Linken auf die Mehrheitsmeinung hat. Die interessantere Frage ist, warum sich überhaupt so viele Medienschaffenden der linken Sache verbunden fühlen. Schließlich gibt es kein Gesetz, das die Vorlage eines Parteibuches oder einen anderen Nachweis der politischen Gesinnung zur Bedingung für den Berufseintritt macht.

Fragt man Vertreter der Linken, wie ich das neulich auf einem Podium mit einem Kollegen der "Frankfurter Rundschau" getan habe, heißt es, dass sich Linke eben in besonderem Maße der Aufklärung verpflichtet fühlen. Das ist zugegebenermaßen eine Möglichkeit. Ich bin jetzt bei der Lektüre des neuen Romans von Tom Wolfe "Back to Blood" auf eine andere, weniger selbstadelnde Erklärung gestoßen.

Politische Vorlieben werden auf dem Schulhof geprägt

Tom Wolfe sieht er den Grund in den frühkindlichen Verteilungskämpfen um Macht und Einfluss. Die politischen Vorlieben würden im Alter von sechs Jahren auf dem Schulhof geprägt, wenn die Schwachen entdecken, "dass Sprache ein Werkzeug ist, wie ein Schwert oder ein Gewehr. Geschickt eingesetzt, hat sie die Macht, naja, vielleicht nicht Dinge zu erreichen, aber Dinge zu zerstören. Einschließlich der Jungs, die auf der stärkeren Seite der Trennlinie stehen". Nichts also mit hehren Werten und dem selbstlosen Einsatz für eine gerechtere Welt.

Glaubt man Wolfe, geht es allein darum, den Spieß umzudrehen, und zwar mit Worten.

In meinen Fall stimmen die Ausgangsbedingungen, muss ich zugeben. Ich hatte immer schmale Schultern, schon zu Schulzeiten. Weil ich in einer Zeit groß wurde, als man sich in den Pausen noch prügelte, brachte mich das in gewisse Verlegenheiten, wenn ich auf stärkere Gegner stieß - bis ich entdeckte, dass man jemanden mit Worten mindestens so wirksam niederstrecken kann wie mit einem Faustschlag. Ich weiß nicht mehr genau, wann sich das Verhältnis umkehrte und die Starken die Dummen waren. Es war jedenfalls eine wunderbare Entdeckung.

Doch so verführerisch es klingt: Die Ohnmachtserfahrung des Sechsjährigen allein kann es nicht sein. Auch Bill Gates gehörte in der Schule zu den Schmächtigen, ohne dass ihn das zu einem Linken gemacht hätte.

Möglicherweise liegt die eigentliche Erklärung in einer Überschätzung des Widerspruchsgeistes, den gerade Vertreter der linken Sache für sich reklamieren. Wie die meisten Menschen streben auch Journalisten nach Zustimmung im Meinungsumfeld, nicht nach Ablehnung, obwohl gerne das Gegenteil behauptet wird. Die bohrende Kritik, die in dem Gewerbe in so hohem Ansehen steht, richtet sich vorzugsweise auf das, was man gemeinsam verachtet.

Nachträgliche Selbsttröstung

Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, erinnere ich mich überhaupt nur an zwei Klassenkameraden, die nicht links waren. Der eine hieß Christian, ein weizenblonder Junge mit Brille und einem sympathischen, aber linkischen Lächeln. Der andere, Walter, war in der Schule eher unauffällig. Dafür hatte er ein Hobby, das ihn von allen unterschied: Er stopfte Tiere aus. Kaninchen, Mäuse und kleine Echsen, am liebsten aber Vögel. Christian und Walter waren die beiden örtlichen Vertreter der Jungen Union. Das hat, wie ich zugeben muss, meinen Blick auf die Jugendorganisation der deutschen Christdemokratie nachhaltig geprägt. Sie blieben es auch für die gesamte Schulzeit, soweit ich das beurteilen konnte.

Von meinen Lehrern habe ich immer gehört, wir sollten uns einen eigenen Kopf bewahren. Das leuchtet sofort ein. Berufswunsch Konformist ist gerade unter Heranwachsenden eher ungewöhnlich. Aber wenn wir uns auf dem Pausenhof zusammenfanden, waren eigenartigerweise alle einer Meinung. Ich lernte früh, dass man zur Mehrheit gehören und dennoch als Nonkonformist durchgehen kann.

Bleibt die Frage, warum so viele Journalisten mit erkennbarer Verachtung auf Leute blicken, die es zu Ruhm und Reichtum gebracht haben. Die Draufgänger der Kindheit trifft man später oft als Versicherungsvertreter oder Packer im Getränkemarkt wieder. Die Konkurrenten, von denen es sich im Nachhinein abzusetzen gilt, sind eher die Jungs oder Mädels mit der Brille und der Stoffhose, die es wider Erwarten an die Spitze eines Millionenunternehmens gebracht haben.

Die Abwertung hat so gesehen möglicherweise eher psychohygienische Gründe. Wer mit Bill Gates (oder heute Marissa Mayer) zur Schule gegangen ist, hat nur eine Möglichkeit zu rechtfertigen, warum es bei ihm lediglich zu einer Stelle im Mittelbau einer Zeitung oder Fernsehanstalt gelangt hat. Na gut, sagt er sich: Diese Leute sind sehr viel reicher als ich. Aber dafür habe ich mich nicht korrumpiert wie sie. Ich bin nicht zum Schwein geworden. Damit wäre die Hinwendung zum Ideologischen eine nachträgliche Selbsttröstung.

Was für ein schönes Thema für eine kommunikationswissenschaftliche Folgestudie.