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Warum lieben junge Menschen Sprachnachrichten – ältere aber so gar nicht?

Sieben Milliarden Sprachnachrichten werden jeden Tag allein bei WhatsApp verschickt. Vor allem die Gen Z versendet sie gern – und quält damit alle Älteren. Der Grund dafür ist ein riesengroßes Missverständnis zwischen den Generationen.
Sprachnachrichten sind nervig für den Empfänger
Sprachnachrichten sind nervig für den Empfänger
Quelle: Getty Images

Das Perfide an Sprachnachrichten ist das Ungleichgewicht. Wer mal schnell eine solche Audio-Botschaft bei WhatsApp losschickt, braucht dafür nur so lange, wie er sich mitteilen mag. Doch so einfach ist es für den Empfänger eben nicht: Er kennt die Nachricht naturgemäß noch nicht, weiß also nicht, ob es sich um unterhaltsames Gebrabbel („Hast du schon die neue Staffel ‚Borgen‘ gesehen? Super gut, musst du machen!“) oder um eine wichtige Botschaft handelt, auf die man flugs reagieren sollte („Hilfe, habe einen Rohrbruch, kannst du vorbeikommen?“). Vor allem hat er vielleicht gerade einfach keine Zeit, keine Kopfhörer und schon gar keine Lust, sich die Nachricht anzuhören.

Genau da liegt das Problem. Sprachnachrichten sind – auch wenn das erst einmal banal klingen mag – eben keine Textnachrichten, die man schnell erfassen und beantworten kann. Sie sind außerdem ein Monolog, und nicht wie ein Telefonat, bei dem man direkt antworten könnte. Kurzum: Sie sind tierisch nervig, jedenfalls für den, der sie bekommt. Wie ein geschwätziger Bekannter, der „zufällig in der Gegend war“ und sich etwas von der Seele reden möchte. Leider kommt er immer häufiger vorbei, um im Bild zu bleiben. Sieben Milliarden Sprachnachrichten werden jeden Tag allein bei WhatsApp verschickt, ließ das Unternehmen kürzlich verlauten. 2016 waren es noch „nur“ 200 Millionen. Dazu kommen all jene Sprachnachrichten, die über andere Messengerdienste wie Telegram oder soziale Netzwerke wie Instagram und Facebook versendet werden (ja, auch dort geht das).

Falls Sie zu den Nutzern gehören

Ewig lang her, scheinen die Zeiten, in denen die ganze Welt zu Hause oder telefonisch die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter abhörte, heute spricht noch gelegentlich ein Anrufer auf die Handy-Mailbox. Doch auch sie könnte bald leer bleiben, denn für 45 Prozent der Deutschen über 18 sind Sprachnachrichten bereits Teil der täglichen Kommunikation, ergab eine repräsentative Umfrage, die YouGov im Auftrag der Dating-Plattform Bumble gerade durchgeführt hat. Vor allem sei das eine Altersfrage, erklärt die Verhaltenstherapeutin Nicole Engel: Die Generation Z, das sind die ab 2000 Geborenen, ist eben mit den technischen Möglichkeiten groß geworden. „Für sie sind Audio-Messages effektiv, weil alles schneller gesprochen als getippt ist.“ Menschen der Generation Y, bei denen im Ausweis ein Geburtsjahr zwischen 1980 und 1999 steht, schreiben lieber Nachrichten. Und die Generation X, sprich die Jahrgänge zwischen 1965 und 1980, würde gerne telefonieren – wenn junge Kinder und Enkel sie nicht häufig zu anderen Kanälen zwingen würden.

Um den Generationenkonflikt in Sachen Kommunikation noch ein bisschen verworrener zu machen, kommt ein großes Missverständnis hinzu. Denn nicht alle haben die gleiche Erwartungshaltung, wenn es um Sprachnachrichten geht. „Menschen mit Generation-Y-Sozialisation verspüren eher einen Leistungsdruck, sie denken, sie müssten auf die Sprachnachricht reagieren, möchten das aber gar nicht“, erklärt Engel. Dabei sehen es die meist jüngeren Absender total entspannt. „Sie denken eher: ‚Kann sein, dass der andere gerade nicht in der Stimmung ist, meine Nachricht abzuhören. Macht nichts, Hauptsache, es kommt irgendwann eine Reaktion.‘“

„Es steckt ein bisschen Konfliktvermeidung dahinter“

Denn die Generation Z schätze an Sprachnachrichten vor allem eines, sagt die Psychologin: Sie bestimmt selbst, wann und in welcher Stimmung sie kommuniziert. „Würde man klassisch telefonieren, ist man vielleicht nicht gut drauf und einem fallen spontan nicht die richtigen Antworten auf Gegenfragen ein.“ Engel sieht also durchaus Vorteile in Sprachnachrichten. Und die Nachteile? „Es steckt ein bisschen Konfliktvermeidung dahinter. Wenn man sich nur noch so mitteilt, kann man wichtige Kompetenzen verlernen. Spontan argumentieren zum Beispiel oder kritikfähig zu sein, ohne seinem Ärger direkt Luft zu machen“, meint Engel. All das könne man nur im direkten Gespräch üben.

Wobei das ebenso für geschriebene Nachrichten gilt. Letztlich, rät Engels, solle man schlicht schauen, was einem selbst guttut. Argumentiert man besser in Textform, spricht man lieber? Was fühlt sich „richtiger“ an? Alle, mit denen man häufig Kontakt hat, könne man außerdem fragen, was sie bevorzugen. Engels sagt aber auch: „Bei Kommunikation ist am allerwichtigsten, dass man kommuniziert.“ Egal, wie. Oder mit anderen Worten: Der Bekannte mit dem Redebedarf wird wohl regelmäßig vorbeischauen, wenn man ihn nicht grob unhöflich abwimmelt. Aber vielleicht erzählt er ja auch mal was richtig Spannendes.

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