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Notbremse gegen Klimawandel Planen die USA die Verdunkelung der Sonne?

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Aerosole in der Luft tragen dazu bei, dass weniger Sonnenlicht den Erdboden erreicht - sie haben einen kühlenden Effekt.

Aerosole in der Luft tragen dazu bei, dass weniger Sonnenlicht den Erdboden erreicht - sie haben einen kühlenden Effekt.

(Foto: picture alliance / IPA)

Die US-Regierung veröffentlicht einen Forschungsplan, der sich mit den Möglichkeiten von Solar Geoengineering befasst. Es geht im Prinzip darum, das Sonnenlicht ein wenig abzudunkeln, um die Erderwärmung zu bremsen. Klingt nach einer guten Idee - doch Forscher warnen vor den Risiken.

Was passiert, wenn wir die Erderwärmung nicht mehr in den Griff bekommen? Die Frage scheint berechtigt, weil derzeitige Versuche, die globalen CO₂-Emissionen zu verringern, noch keine Früchte tragen. Gleichzeitig gibt es eine Art Notbremse gegen die Erderwärmung: Solar Geoengineering. Dabei wird die Sonneneinstrahlung auf künstliche Weise reduziert und die Erde abgekühlt. Die US-Regierung legte nun einen vom Kongress eingeforderten Forschungsplan vor, der die Möglichkeiten von Solar Geoengineering ausloten soll.

Solar Geoengineering (englisch: Solar Radiation Modification oder SRM) wurde in den vergangenen Jahren immer wieder als Mittel gegen den Klimawandel ins Spiel gebracht. Grob kann man dabei vier verschiedene Ansätze unterscheiden:

  • Partikel in der Atmosphäre: Der bekannteste und am meisten untersuchte Ansatz ist das Ausbringen winziger Partikel in der Stratosphäre. Diese würden einen Teil des einfallenden Sonnenlichts reflektieren und die Erde abkühlen. Das funktioniert, wie bereits bei Vulkanausbrüchen beobachtet werden konnte: Im Jahr 1991 kühlte der Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen die Oberfläche der Erde um 0,5 Grad ab - und das etwa ein Jahr lang.
  • Wolken aufhellen: Der Ansatz der marinen Wolkenaufhellung wird ebenfalls als machbar angesehen. Dies soll geschehen, indem auf dem Meer Salzwasser-Tröpfchen in den Himmel gesprüht werden, etwa von speziellen Schiffen aus. Dadurch sollen Wolken weißer werden und mehr Sonnenlicht reflektieren.
  • Erdoberfläche aufhellen: Wenn man einen Teil der Erde umgestaltet, sodass mehr Sonnenlicht in den Weltraum reflektiert wird, dürfte das ebenfalls einen kühlenden Effekt haben. So könnten etwa Häuserdächer in weißen oder hellen Farben gestrichen werden. Der Vorteil an der Methode sind die vergleichsweise geringen Kosten. Ein weiteres Beispiel wäre die aufwändigere, künstliche Wiederherstellung des arktischen Meereises, welches ebenfalls Sonnenlicht reflektiert.
  • Weltraum-Sonnenschirm: Der futuristische Ansatz beim Solar Geoengineering - bei dieser Methode wird ein großer Sonnenschirm (oder mehrere kleinere) an einem bestimmten Punkt zwischen Erde und Sonne platziert. Dadurch soll eine permanente partielle Sonnenfinsternis erzeugt werden.

Der Fokus im Bericht der US-Regierung liegt auf der Untersuchung der Vor- und Nachteile der atmosphärischen Methoden: Aerosol-Injektion und Aufhellen von Wolken. Zwei Gründe werden dafür genannt: Zum einen seien diese Ansätze einfacher umzusetzen als etwa weltraumgestützte Sonnenschirme. Zugleich stellten sie im Vergleich zu aufgehellten Gebäuden eine größere politische Herausforderung dar, weil sie grenzüberschreitende Auswirkungen hätten. Etwas, was es zu bedenken gilt: Denn die Folgen des Solar Geoengineerings könnten mancherorts verheerend sein.

Ausfall des Monsuns befürchtet

Immer wieder warnen Forscher vor möglichen negativen Folgen der Sonnen-Verdunkelung. Denn das Klimasystem ist komplex und bis heute nicht vollständig verstanden. Befürchtet werden daher negative Effekte, die derzeit noch gar nicht absehbar sind. Manche hingegen scheinen bereits absehbar: Monsunregenfälle in Südasien und Westafrika könnten durch eine verringerte Sonneneinstrahlung unterbrochen und dadurch die örtliche Landwirtschaft vernichtet werden, glauben Experten.

Bedeutet der neue Forschungsplan der US-Regierung, dass die USA nun im Alleingang eine Verdunkelung der Sonne planen? In dem jüngsten Bericht geht es vordergründig zunächst um die Erforschung der Auswirkungen des Solar Geoengineerings. Vorteile und Risiken sollen abgewogen werden, heißt es darin. Vor allem mit Blick auf die Frage, was schlimmer ist: Methoden zur Sonnen-Verdunkelung einzusetzen oder den Klimawandel hinzunehmen, wie er ist.

In einer Mitteilung betonte das Weiße Haus zugleich, dass der Bericht "keine Änderung der Politik oder der Aktivitäten" der Biden-Regierung bedeute. So setze man beim Kampf gegen den Klimawandel weiterhin etwa auf die Reduzierung von Emissionen. "Es gibt keine Pläne für ein umfassendes Forschungsprogramm, das sich auf die Veränderung der Sonneneinstrahlung konzentriert", heißt es.

Verführerisch einfache Lösung?

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Also alles kein Problem? Das bleibt abzuwarten. Der Geoengineering-Bericht der US-Regierung könnte zwangsläufig dazu führen, dass mehr Gelder in die Erforschung der Risiken und Vorteile der angedachten Methoden fließt. Und sollten sich in der Tat gewisse Vorteile abzeichnen, dürfte es dem Solar Geoengineering in der politischen Debatte und öffentlichen Wahrnehmung zu einem gewissen Renommee verhelfen.

Doch das birgt Gefahren: Interessengruppen könnten unter Verweise auf Solar Geoengineering auf den weiteren Einsatz fossiler Energieträger pochen, um den Lebensstandard zu gewährleisten. Oder Entscheidungsträger könnten bei einer weiteren Zuspitzung der Klima-Situation gewillt sein, auf das vergleichsweise einfach umzusetzende Geoengineering durch Aerosole zu setzen. Womöglich könnte es sogar zu Alleingängen von Staaten oder Unternehmen kommen, was weitere schwerwiegende geopolitische Verwerfungen zur Folge haben könnte.

Quelle: ntv.de

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