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Kundenservice Wer langsam spricht, wirkt empathischer

Auch wenn in Callcentern oft jede Sekunde zählt: Beratende tun gut daran, ihre Sprechgeschwindigkeit zu senken. So können sie die Zufriedenheit ihrer Kundinnen und Kunden messbar erhöhen, wie eine Feldstudie und drei Experimente zeigen.
aus Harvard Business manager 4/2024
Bloß nicht hetzen: Wer im Servicebereich langsam spricht, vermittelt eine größere Hilfsbereitschaft

Bloß nicht hetzen: Wer im Servicebereich langsam spricht, vermittelt eine größere Hilfsbereitschaft

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Sean Gladwell / Getty Images

Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass schon kleine sprachliche Änderungen Auswirkungen darauf haben können, wie eine Nachricht aufgenommen wird. So steigt etwa die Zufriedenheit von Kundinnen und Kunden , wenn Servicemitarbeitende „ich“ statt „wir“ sagen. Onlinebewertungen, die Schimpfwörter enthalten, werden als hilfreicher empfunden . Und Absagen, die mit „ich will nicht“ statt mit „ich kann nicht“ formuliert sind, wirken überzeugender . Eine neue Studie  zeigt nun, welche sprachliche Eigenheit Menschen besonders empathisch wirken lässt: die Geschwindigkeit, mit der sie sprechen.

Die beiden Wissenschaftler – ein Wharton-Professor und ein Doktorand aus Rom – begannen ihre Forschung mit einer Feldstudie, für die sie fast 200 Anrufe beim Kundendienst eines großen US-Onlinehändlers analysierten. Automatisierte Tools maßen die Sprechgeschwindigkeit aller Mitarbeitenden, also die Anzahl der Silben pro Sekunde. Die Kunden wiederum gaben an, für wie hilfsbereit sie ihre Gesprächspartner hielten. Dabei kam heraus: Je langsamer die Servicemitarbeiter sprachen (innerhalb des normalen Bereichs), desto zufriedener waren die Kunden mit der Hilfe.

Diejenigen, die der langsameren Sprachaufnahme zugehört hatten, empfanden die Person als einfühlsamer und hilfsbereiter.

Um die Ursache dafür herauszufinden, führten die Forscher drei Experimente durch. Im ersten sollten sich die Teilnehmer vorstellen, dass sie den Kundendienst wegen eines Problems mit ihrer Rechnung anriefen. Dann hörten sie eine von zwei Antwortversionen, die ein professioneller Sprecher aufgenommen hatte. In der einen Version sprach er langsamer als der Durchschnitt der Mitarbeitenden in der Feldstudie, in der anderen schneller (jeweils um eine Standardabweichung). Anschließend beantworteten die Probanden Fragen zu Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft des vermeintlichen Servicemitarbeiters sowie zu ihrer Zufriedenheit mit dem Gespräch. Diejenigen, die der langsameren Sprachaufnahme zugehört hatten, empfanden die Person als einfühlsamer und hilfsbereiter und äußerten sich zufriedener.

Das zweite Experiment war ähnlich aufgebaut, verglich jedoch eine langsame mit einer durchschnittlichen Sprechgeschwindigkeit und verwendete einen anderen Kontext: Die Probandinnen und Probanden stellten sich vor, dass sie der Antwort einer Ärztin auf eine anhaltende und beunruhigende medizinische Beschwerde zuhörten. Auch hier steigerte langsames Sprechen die wahrgenommene Empathie und die Zufriedenheit; außerdem wirkte die Ärztin dadurch kompetenter.

Das dritte Experiment schließlich testete, ob die Geschwindigkeit auch dann noch eine Rolle spielte, wenn das Bedürfnis nach Empathie geringer war. Tatsächlich waren die Vorteile einer langsamen Sprechgeschwindigkeit weniger ausgeprägt, wenn die Probanden glaubten, dass die Krankheit unproblematisch und leicht zu heilen sei. Eine weitere Analyse ergab, dass die Vorteile auch dann geringer ausfielen, wenn die Sprecher von vornherein eine einfühlsame Sprache verwendeten.

„Langsameres Sprechen signalisiert, dass die Kommunikatoren die Bedürfnisse ihrer Zuhörer verstehen und sich darüber Gedanken machen“, schreiben die Forscher. „Servicemitarbeitende wollen Kundenbindung aufbauen, Politikerinnen wollen Vertrauen gewinnen, und Pädagogen wollen Weiterentwicklung fördern. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine relativ einfache Veränderung dazu beitragen kann.“

Ausgabe April 2024

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© HBP 2024

Quelle: Giovanni Luca Cascio Rizzo, Jonah A. Berger: „The Power of Speaking Slower“, Working Paper

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